Wer hat schon einmal etwas von der Republik Sierra Leone gehört, weiß, wo dieses Land genau liegt und wie man dort hinkommt? Aus diesem Grund sind wir im März 2023 neugierig dorthin aufgebrochen, um mehr über diese weitgehend unbekannte Destination zu erfahren.
Von Europa gibt es nur wenige Alternativen der Anreise beispielsweise mit Brussels Airlines, Turkish Airlines oder Royal Air Maroc; wir wählten den Weg über Brüssel und erreichten am Nachmittag mit einer Zeitverschiebung von einer Stunde rückwärts den an der Nordküste der Freetown-Mündung befindlichen Lungi International Airport der Hauptstadt Freetown. Um von dort unser gebuchtes Hotel in der Stadt zu erreichen, musste bei einem etwas chaotischen, jedoch eindrucksvoll effizienten, Transfer für 45,00 US$ pro Person noch eine 30minütige Bootsfahrt mit „Sea Coach Express“ genutzt werden.
Zur Geschichte des Landes sollte man wissen, dass es bis zum 15. Jahrhundert Bestandteil des Reiches Mali war und im Jahr 1462 vom Portugiesen Pedro da Cinta entdeckt wurde. Um das Jahr 1780 erwarben die Briten von den Stammesführern ein für die Ansiedlung afrikanischer Sklaven aus Großbritannien und den USA bestimmtes, seit 1808 zur der britischen Krone gehörendes, Gebiet in der Größe von ca. 250 km², was 1961 die Unabhängigkeit erhielt. 1994 begann ein durch den illegalen Handel mit Diamanten finanzierter, mit äußerster Brutalität geführter, durch eine britische Militärintervention beendeter Bürgerkrieg, wonach der politische sowie wirtschaftliche Wiederaufbau eingeleitet werden konnte. Heute leben hier 16 ethnische Gruppen, die größte ist der Stamm der Mende, gefolgt von den Temne und Limba.



Weiter sahen wir u. a. die im Krieg zerstörte Ruine des Fourah BayCollege von 1955, Fort Thornton, wo heute das Haus des Staatspräsidenten steht, den legendären Cotton Tree, die St. John’s Maroon Church, die St. George’s Cathedral, die portugiesische Treppe (Old Wharf Steps) und die Anlegestelle der Sklavenschiffe am King Jimmy Market.


Am Tag zwei ging es mit 40 PS in einem privaten Boot in 45 Minuten nach Bunce Island. Diese dem Verfall überlassene, einen gewissen maroden Charme versprühende, Insel war um 1670 gegründet die größte britische Sklavenburg an der Küste von Westafrika. Von hier wurden ca. 30.000 afrikanische Gefangene nach Nordamerika bzw. auf die Westindischen Inseln verschleppt, bis das britische Parlament dem Sklavenhandel 1807 ein Ende setzte. Die schmerzhafte Geschichte liegt hier unter saftigem Grün begraben. Nachmittags dann ein Spaziergang am Lumley Beach.



Einen Höhepunkt bildete am dritten Tag unsere geplante Exkursion zur Tiwai Wildlife Sanctuary, wo wir nach fünfeinhalb Stunden bzw. etwa 390 km Fahrt auf asphaltierten Straßen über die alte Hauptstadt Bo und zuletzt von Potoru über 16 km Piste durch dichten Regenwald am Westufer des Flusses Moa in Kambama ankamen und per Boot zur Insel Tiwai übersetzten. Der Plan hier war, an dem träge dahinfließenden Wasser nicht nur spektakuläre Aussichten auf weit mehr als 700 Pflanzenarten zu genießen, sondern ebenso Ausschau nach zwischen den Bäumen umherspringende Affen – auch Schimpansen, etwa 135 Vogelarten sowie gelegentlich ein Krokodil, zu halten. Leider hofften wir vergebens auf die Chance, das hier beheimatete, äußerst seltene, Pygmäen-Nilpferd, ein kleines, gedrungenes, nachtaktives, in Liberia, der Elfenbeinküste, Guinea bzw. Sierra Leone endemisch vorkommendes, Tier persönlich zu Gesicht zu bekommen. Zweifellos bildete der Aufenthalt in diesem tropischen Regenwald, wo wir in Begleitung eines einheimischen Führers bei einer dreistündigen Wanderung versuchten, einige der elf dort heimischen Primaten, viele verschiedene Vögel sowie eine stattliche Anzahl der etwa 800 Schmetterlingsarten aufzuspüren, einen Glanzpunkt unseres Besuches in Sierra Leone. Gesehen haben wir am Ende zumindest die schwarz-weißen bzw. roten Colobus-Stummelaffen sowie Hornbills. Glück bezüglich der Entdeckung zumindest von Säugetier-Fußspuren von Mungos, Wildschweinen oder gar Zwergflußpferden hatten wir nicht. Nachmittags stand dann auf dem Moa eine vor allem für den Guide kraftzehrende 45minütige Kanutour an; hingegen war die eineinhalbstündige Wanderung in der Nacht im Vorfeld eines von den Tieren im Regenwald offensichtlich vorhergesehenen ergiebigen Regengusses für uns frustran.



Ohne den ursprünglich geplanten Umweg über Kenema, eines der Abbauzentren für die zumeist von Einheimischen in traditioneller Weise zutage geförderten Diamanten, erfolgte am Tag darauf, diesmal in mehr als sechs Stunden, über 330 km wieder über Bo unsere Rückfahrt an die Küste in die auf einer Halbinsel am Atlantik gelegene Hauptstadt Freetown, die im übrigen über den drittgrößten Naturhafen der Welt verfügt.
Am vorletzten Tag fuhren wir mit unserem bereits bekannten Fahrer Osman nach dem Frühstück zunächst 50 km in östliche Richtung in die Ortschaft Kent, von wo uns ein privat gechartertes Boot in knapp einer halben Stunde auf Banana Islands brachte. Hier in Dublin bekamen wir vom Sohn des Dorfältesten die etwas verträumte Insel mit Relikten auch aus ihrer Geschichte der Sklavenverschiffung gezeigt. Rückwärts folgte noch ein Halt mit Spaziergang am wunderschönen Strand River Number 2, der als einer der Besten des Landes überhaupt gilt, bevor wir am Folgetag mit der „SeaCoach Express Ferry“ zunächst retour zum Airport fuhren und von dort mit Brussels Airlines nach Monrovia (ROB) in die Republik Liberia weiterflogen.
Da die Anmietung eines geländegängigen Fahrzeuges nur mit Chauffeur üblich, war ein selber fahren im Land zu unserer Zeit leider nicht möglich.


Eine passende Übernachtungsmöglichkeit in einer Landeshauptstadt zu finden, stellt selten ein wirkliches Problem dar. Hier spielen eher die individuellen Vorlieben und das Budget eine Rolle bei der Auswahl eines Hotels. Für die insgesamt fünf Nächte in Freetown entschieden wir uns für das „Home Suites Boutique Hotel“ mit seiner guten Lage in Aberdeen als idealen Ausgangspunkt für jegliche Unternehmungen in der Stadt und einem kleinen Pool im Außenbereich des Restaurants (www.homesuiteshotelsl.com). Auf der Insel Tiwai gab es auf einer kleinen Lichtung im Regenwald unweit des Flusses Moa in eigentlich idyllischer Lage mit einer tollen Geräuschkulisse geräumige, saubere Doppelbungalows mit Moskitonetzen über den Betten und Insektenschutzfenstern in einer insgesamt etwas vernachlässigt wirkenden übrigen Anlage mit sicher schon besseren erlebten Zeiten (www.tiwaiisland.org).



Kulinarisch bestand ein sehr breites Angebot: während im Restaurant unseres Hotels landestypische, libanesische, mediterrane und internationale Gerichte zur Auswahl standen und es im Nationalpark jeweils ein Reisgericht mit Hühnchen einmal mit Erdnuss-Soße bzw. einmal einer schmackhaften Beilage aus Kasava-Blättern gab, probierten wir natürlich ebenso beispielsweise am Lumley Beach neben einem kalten Getränk afrikanische Breaded Prawns bzw. Calamari mit Tartar Sauce zu kaum schlagbaren Preisen.
Zahlungstechnisch fanden internationale Kreditkarten außer im Hotel in der Hauptstadt wenig bzw. keine Akzeptanz; unsere Touren wurden alle in US-Dollar cash abgerechnet, während für Getränke und Souvenirs „an der Straße“ die lokale Währung Leone genügte.
Fazit:
Ein Besuch der Republik Sierra Leone hält für den unkonventionell-neugierigen Traveller viel Sehenswertes bereit, das es mit einem vertretbaren Aufwand unbedingt wert ist, persönlich in Augenschein genommen zu werden.
Einige interessante Angaben zum Land:
Offizielle Bezeichnung: Republik Sierra Leone
Kontinent: Afrika
Staats- und Regierungsform: präsidentielle Republik
Hauptstadt: Freetown
Größe: 71.740 km²
Einwohnerzahl: 7,55 Millionen
Offizielle Landessprache: Englisch
Währung: Leone (SLL)
Flagge:
